Im zweiten Titel der D-Day Serie behandelt Designer Tom Holliday die rechte Flanke der Amerikaner im Utah Beach Bereich. Die dabei simulierte Saga geht von den Luftlandungen der 82. und 101. Luftlandedivisionen am 5./6. Juni 1944 und den darauffolgenden Kämpfen am Invasionsstrand, bis durch die zwei nächsten Wochen in der Bocage der Halbinsel. Die insgesamt 21 Szenarien sind unterteilt in fünf Komplexitätsstufen und behandeln die wichtigsten Momente im Einsatzbereich.
Ein attraktives Produkt
Die Grand Tactical Series ist zweifellos schön anzusehen. Utah Beach ist keine Ausnahme. Die insgesamt 6 Maps von Nicolás Eskubi setzen den sexy Standard fort, der vom Designer vor Jahren festgelegt wurde. Unit Counter und Marker entsprechen der GTS Norm und sind klar gedruckt. Die Zentrierung ist perfekt, wie immer. Der Unit Mix ist vielseitig, sehr vielseitig sogar.
Einheiten der Amerikaner und Briten sind mit Symbolen des (heutigen) NATO Standards versehen. Bei den Deutschen werden wie in allen GTS Titeln diejenigen der Wehrmacht verwendet. Das gefällt und hilft beim Eintauchen in die Konfliktsimulation. Alles was fährt, fliegt oder schwimmt erhält das wunderschön gezeichnete Einheitssymbol des vorherrschenden Kriegsgeräts.
Tom Holliday hat sich entschlossen, die Szenarien auf drei verschiedene Bücher zu verteilen, statt eine dicke Bibel daraus zu machen. So gestaltet sich das Setup recht handlich, auch wenn ich die schöne Farbcodierung in den Setup Instructions älterer Titel sehr vermisse:
Ein teures Produkt
Vor einigen Jahren hat die Wargamingbranche das $200 Tabu abgeschafft. Neue Grossproduktionen kommen immer öfters in dieser Grössenordnung zu stehen, sogar Neuauflagen alter Spiele scheuen sich kaum mehr von Preisen jenseits der $200, so beispielsweise die zusammengeführte Neuveröffentlichung von Axis Empires.
Utah Beach kostet sagenhafte $332 bei MMP (EUR 320 bei Hexasim). Ich bin sicher, dass diese Preise gerechtfertigt werden können, aber angesichts der Tatsache, dass das Hobby einen Höhenflug sondergleichen geniesst und es sich bei GTS um eine beliebte Serie handelt, sei mir ein kurzes Stirnrunzeln verziehen. Das ist ein happiger Preis für ein Brettspiel. Und es sind nochmal $40 mehr, als beim Schwesterspiel “Greatest Day: Sword, Juno, and Gold”.
Impressionen
Nach dem Test der zwei Szenarien “The Battle for Brécourt Manor” und “Westward Ho!” möchte ich die folgenden Beobachtungen teilen.
Beach Landing optional
Nicht alle Wargamer sind Fans der diversen Beach Landing Mechaniken da draussen. Eine Kritik aus “Sword, Juno and Gold” hat sich Holliday gemerkt: Man sollte Szenarien spielen können, ohne die Verstärkung selbst landen zu müssen.
Das “Westward Ho!” Szenario beginnt in der Nacht vor dem D-Day und spielt in Strandnähe, verzichtet aber auf die Landungsmechanik. Stattdessen definiert das Szenario in Strandnähe eine Handvoll Reinforcement Hexes, von welchen die Verstärkung vom Strand in den Kampf um die Brücken des Merderet gefüttert wird.
“Seven OK! Six OK! Five OK! …”
Paradrops sind toll, wenn sie denn mehr sind als ein reines Platzieren von Einheiten in einem Hex ohne vorherigem Anmarsch. Es darf einiges schief laufen und es braucht eine Möglichkeit, die enormen Probleme der Alliierten bei der Wiederherstellung der Einheitskohäsion von Luftlandetruppen spielerisch zu erleben. “Utah Beach” kann beides.
Der Landung eines jeden Grüppchens von Paratrooper droht eines von vielen Schicksalen: Verluste in der Form von Step Losses, zusätzliche Dropmarker (welche längere Rally Zeiten nach der Landung bedeuten), bis hin zur totalen Zerstörung oder dem kompletten Austausch aller Einheiten mit Rearguards und dazugehörendem Drift. Hierbei können Einheiten Gott-weiss-wo landen. Überleben sie die Landung, müssen sie den Weg zurück zum Rally Point antreten. Der Spieler trackt alle Verluste der Paras und kann mit den dabei “gewonnenen” Punkten Replacement Steps für die Regimente kaufen. Der Buchhalter in mir liebts.
Natürlich ist Easy Company mit dabei
Colonel Robert Sinks 506. Luftlanderegiment ist aus dem Utah Beach Sektor des D-Day nicht wegzudenken. Seine zwei Battalione machen ihren Drop in der Nacht zum 6. Juni in der Gegend von Sainte-Marie-du-Mont.
Die von Lieutenant Richard Winters kommandierte 5. (E) Kompanie ist berühmt für die Ausschaltung einer Batterie 105mm Artillerie in Brécourt Manor. Dieser Kampf ist Teil des Lernszenarios mit dem gleichen Namen. Später treffen wir die Easy Company in Carentan wieder: Das Senario “The Lions of Carentan” erzählt diese Geschichte. In insgesamt drei Szenarien sowie in den grossen Kampagnen laufen wir dieser berühmten Kompanie immer wieder über den Weg.
Bewegungskrieg ist anders
Zusätzlich zu den ohnehin schon vorteilhaften Geländeeigenschaften des Typs “Hedgerow” können Deutsche Einheiten in einen “Bocage” Status wechseln. Dieser gibt ihnen +1 auf so ziemlich allen Werten, was das Aushebeln so eingegrabener Units zeitaufwendig und teuer macht. Noch intensiver kann es werden, wenn den Deutschen die Zeit gegeben wird, zusätzlich noch verbesserte Stellungen oder gar Entrechments zu bauen.
Taktisch schlau platzierte Verteidiger können die Bewegungsfreiheit der Alliierten massiv einschränken. Wichtige Strassen im Hedgerow Terrain laufen dauernd gefahr, von Bocage-Verteidigern besetzt und unbrauchbar gemacht zu werden. Die Bewegung jenseits der Strasse ist mühsam und die Feinde haben im rückwärtigen Raum nichts verloren, also bleibt nur das mühsame Aushebeln der Deutschen.
Das ist ein realistischer Aspekt des Spiels. Macht aber nicht in jedem Fall Spass.
Fazit
“The Greatest Day: Utah Beach” ist ein tolles Spiel, welches eine Menge zu bieten hat. Potentiell stehen hunderte von Stunden historischer Konfliktsimulation zur Verfügung. In meinen zwei Szenarien alleine habe viel gelernt und kann jetzt den Einsatz der Luftlandetruppen auf der Cotentin Halbinsel besser verstehen. Weil ich damit das Spiel lediglich gestreift habe, freue ich mich auf viele weitere Erkenntnisse in der Zukunft.
Das Produkt macht einen fertigen Eindruck. Es sind zwar seit dem Release ein-zwei Errata Dokumente produziert worden, aber bei dieser Fülle von Informationen sind Typos in den Szenariobüchern u.ä. nicht zu verhindern. Hut ab vor der Arbeit von Tom Holliday und seinem Team!