Auf der Seite der Sozialistischen Republik Vietnam und gegen einen Gegenspieler aus Fleisch und Blut simuliere ich eine hypothetische moderne Invasion Vietnams durch China. Wir spielen dafür Mitch Land’s Next War: Vietnam, herausgekommen im GMT Verlag. Ein Spielzug simuliert ca. 3.5 Tage.
Die Beziehungen und Konflikte der Anrainerstaat des Südchinesischen Meers sind alt, vielfältig und komplex. Es geht um heutige und zukünftige Resourcen, Grenzverläufe, alte Rivalitäten und Bitterkeiten, sowie um die rasante Neuorientierung der Machtverhältnisse in der Region.
Als wäre das nicht kompliziert genug haben Vietnam und China eine lange und teils sehr schwere gemeinsame Geschichte. Gleich vier mal hat China Vietnam in den letzten 2000 Jahren besetzt. Zuletzt ausgebrochen sind die Feindseligkeiten dieser beiden Nachbarn 1979, als China in Vergeltung für Vietnams gewaltsame Absetzung der Khmer Rouge in Kambodscha einmarschierte und bis kurz vor Hanoi vorrückte. Was folgte war ein Jahrzehnt der Grenzscharmützel, welche erst 1991 beigelegt werden konnten.
Next War: Vietnam versteht sich als letzter Teil einer Trilogie. Gemeinsam mit Next War: Taiwan und Next War: Korea lässt sich ein riesiger Konflikt in und um den Pazifik simulieren. China entlädt dabei unter Mithilfe seiner Verbündeten ein geopolitisches Gewitter, welches ein gutes Dutzend Staaten in den Konflikt bringt. Auf Interventionen folgen Gegeninterventionen, die UNO hat alle Hände voll zu tun und es droht eine nukleare Eskalation.
Ziel: Regime Change in Hanoi
Soweit ist es aber in unserem Szenario noch nicht. Mein Mitspieler und ich haben uns auf das “Tactical Surprise” Szenario geeinigt.
Tensions have slowly been rising after several clashes at sea by Chinese and Vietnamese vessels, both military and civilian, in the territorial waters of the South China Sea claimed by Vietnam. Both sides have started mobilizing and moving troops towards the border.
After weeks of secret deliberations, the Central Politburo of the Communist Party of China quietly sends word down to begin the attack. The PRC has decided that the time has come to chastise their southern neighbor. A swift invasion to take Hanoi and install a pro-Chinese regime will ensure hegemony over South-East Asia […].
Beide Spieler können vor Beginn des Spiels aus einer Vielzahl von Optionen wählen, welche z.T. direkte Auswirkungen auf die Ausgangslage, sowie den Siegpunktestand haben. Beispielsweise kann sich der Chinese zwei Staffeln des sich noch in Entwicklung befindenden Mehrzweckkampfflugzeugs Shenyang J-31 leisten, gibt dafür aber von Beginn weg 10 Siegpunkte an den Alliierten ab. Ebenso wählt der Alliierte Spieler aus einer Liste von losen Verbündeten (USA, UK und Frankreich) deren Interventionslevel aus. Eine stärkere Intervention kostet mehr Siegpunkte, da gilt es die Balance zu finden.
Nach den ersten 3-4 Tagen bin ich als Alliierter nicht sicher, diese Balance gefunden zu haben. Besonders die USA mit Intervention Level 2 konnten bisher wenig Einfluss auf das Geschehen nehmen. Intervention Level 1 entsendet Spezialeinheiten und Logistik in den Konflikt, Level 2 umfangreiche Lufteinheiten. Bodentruppen sind erst ab Level 3 zu haben. Das Vereinigte Königreich hat beschlossen, mit Level 2 zu helfen und stellt ein paar Air Wings zur Verfügung. Frankreich hält sich raus aus dem Konflikt.
Die Staaten der Nachbarschaft intervenieren je nach Spielverlauf. Besetzt der Chinese beispielsweise die Spratly oder Paracels Inseln, kann das die Philippinen, Malaysia oder Indonesien auf den Plan rufen, auf beiden Seiten des Konflikts. Erhöht sich der Interventionslevel der USA auf Stufe 3, erhöht sich der politische Druck der Amerikaner auf Thailand, was dieses Land eventuell zur Intervention zwingt.
“Shock & Awe” made in China
Zu Beginn des ersten Spielzugs stellen die Chinesen (fortan: PLA für People’s Liberation Army) umgehend Lufthoheit her, was ihnen in diesem Zug in vielen Situationen einen hohen “Air Supremacy” DRM verschaffen wird. Die Luftwaffe der Vietnamesen (fortan: SRV für Socialist Republic of Vietnam) entscheidet sich, in Reserve zu bleiben um grosse Verluste zu verhindern. In den folgenden Luft-, Mittel- und Langstreckenschlägen gelingt es der PLA, gleich drei Luftwaffenstützpunkte in und um Hanoi zu zerstören. Dies schränkt die operationellen Fähigkeiten der SRV Luftwaffe noch weiter ein und lähmt sie praktisch komplett.
Recht erfolgreich ist die PLA auch in der elektronischen Kriegsführung. Die HQ der 2. Military Region und des I Corps der SRV wurden erfolgreich entdeckt und entsprechend von Luftschlägen heimgesucht. Ansonsten sind die Resultate vor allem im ballistischen Bereich auf beiden Seiten sehr beschränkt.
Der Start gelingt der PLA auch auf der strategischen Karte. Am Ende des Zugs kontrolliert die PLAN den Golf von Tonkin, das Südchinesische Meer sowie die Seeregion und Inshore Box der Spratly Islands. Eine US Surface Group und ihre Partnerflotte der SRV wurden beschädigt und mussten sich an die Küste im Süden Vietnams zurückziehen. In Folge schlägt die U.S. Air Force zurück: B2 Spirit Bomber finden und beschädigen die Trägergruppe der PLAN und senden sie zurück in heimatliche Gewässer.
Ein schon fast fantastischer Erfolg gelingt der PLAN in besagter Spratly Seeregion: Sie verhindert durch ihre Präsenz und gut platzierten Minenfeldern das Eindringen der US Trägergruppe um die USS Ronald Reagan in das Kampfgebiet! Die Alliierten werden weitere Tage oder gar Wochen auf das Eintreffen der sehnlichst erwarteten Lufteinheiten warten müssen.
Schwerer Stand im nördlichen Hochland
Das Terrain an der Grenze im Norden Vietnams ist unerbittlich. Hügelig, spärlich mit Infrastruktur versehen und voller nicht enden wollender Dschungelwälder. Das ist nicht das beste Gebiet für mechanisierte Verbände. Mit solchen aber sind die 74. und 83. Guards Armies der PLA vorgerückt. Die Gefechte haben der SRV hohe Verluste zugefügt. Der PLA ist es gelungen, nebst vielen Truppen der Border Outposts auch zwei Divisionen der Zweiten Militärregion in die Flucht zu schlagen. Wichtige Siegpunkte als Trost für enorm langsames Vorwärtskommen im Norden. Die SRV wird hier halten müssen, auch wenn die Verluste weiter hoch bleiben. Kann die PLA das schwere Gelände hinter sich lassen, ist der Weg nach Hanoi offen.
Die PLA musste lernen, dass ein Abkürzen durch den Dschungel fernab der Hauptstrassen sofort mit Nachschubmangel bestraft wird. Gleich zwei Brigaden der 74GA mussten in diesem Zug notfallmässig aus der Luft versorgt werden. Westlich von Dong Dang haben sich Fallschirmjäger der SRV den mechanisierten Elementen der 84GA in den Weg gestellt um den Verteidigern Zeit zu verschaffen.
Auffällig schlecht verlaufen die Versuche der PLA, die Gefechte aus der Luft zu unterstützen. Kampfhelikopter schaffen es meist bis zu ihren Zielen, richten aber wenig Schaden an. Luftschläge werden i.d.R. von der SRV frühzeitig entdeckt, und beschossen. Noch hat die PLA keine Lufteinheiten verloren, aber Aufwand und Ertrag stehen hier in keinem guten Verhältnis.
Mehr Bewegung im Westen
Grössere Fortschritte haben die Chinesen im Westen des Landes gemacht. Die Spitzen der 75. Guards Army haben die Grenzposten und erste Verteidiger aus dem Weg geschoben und sind dem Roten Fluss entlang unterwegs in Richtung Hanoi. Dieses liegt ca. 70 Kilometer östlich der in diesem Zug konstituierten Verteidigungslinie Tuyen Quang – Phu Tho der SRV:
Die Situation für die SRV ist gefährlich. Das Terrain hilft den qualitativ und quantitativ besseren Einheiten der PLA. Diese wird Probleme beim Clearing der Städte bekommen und damit Zeit verlieren, aber wenn es die SRV nicht bald schafft mehr Material heranzuschaffen, kann der Kampf um Hanoi nicht verhindert werden. Es muss der SRV gelingen, die USA in den nächsten Zügen stärker in den Konflikt zu ziehen und ihren Interventionslevel auf 3 zu erhöhen.
Die U.S. Air Force hat inzwischen 11 Air Wings aus Japan abgezogen und in Vietnam stationiert. Logistikverbände haben begonnen, für diese zusätzliche Belastung der Infrastruktur mit Supply Points zu bezahlen.
In den nächsten Wochen geht die Kampagne weiter. Für diesen ersten Zug haben mein Mitspieler und ich zirka 8 Stunden aufgewendet. Wir gehen davon aus, dass wir mit der Zeit schneller werden.