The Battle for Normandy

Ein echtes Monstergame und mit Sicherheit eine einstweilige Überforderung. Doch mit etwas Aufwand kann man das Biest zähmen.

Sagenhafte 2520 Counter umfasst das D-Day Epos von Dan Holte. Als die Box erstmals bei mir auf den Tisch kommt, kann man den Frust des Vorbesitzers erkennen: Etwa ein Drittel der Counter sind gepuncht, nichts ist geordnet, keine Ecke geclippt. Hunderte Einheiten und Marker sind in einem einzigen Zip-Loc Sack, viele weitere Countersheets warten auf mich als neuen Besitzer. Ich brauche mehrere Abende um der Lage Herr zu werden. Grundsortierung nach Einheiten und Marker, Sortierung nach Axis/Allies, Sortierung nach Divisionseinheiten und Korpseinheiten, Sortierung nach Division, Clippen, Eintüten. Ich gebe es zu, ein wichtiger Teil dieses Hobbys ist für mich diese Arbeit. Beim Sortieren, Clippen, Beschriften und Einordnen bin ich entspannt.

Die Fakten

TitelThe Battle for Normandy [BGG] [Verlag]
VerlagGMT Games
DesignerDan Holte
PreisVergriffen (BGG ca. €200.-)
Geeignet für AnfängerNein
Unit ScaleBattalion
Counter9 Counter Sheets / ca. 2520 Counter
Hex / Zug1250 Yards / 6h
Komplexität6/10 (GMT)
VASSAL ModulHervorragend
PBEMNicht geeignet (Active Defense)
Kleine / Mittlere SzenarienNein / Ja
SpeziellesAbsolutes Monster

Details, Details und mehr Details

Was mich von Anfang an in den Bann zieht ist die detaillierte Order of Battle. Grundeinheit ist das Battalion, Teil eines von mehreren Regimentern der gemeinsamen Division. Dazu kommen Divisions-Assets wie Artillerie oder Aufklärungseinheiten. Auf Stufe Korps werden weitere Assets zur Verfügung gestellt. Die Artillerie wird dann gerne auch mal grösser, bis hin zu den 155mm Long Toms.

Bild: Vassal Module 3.13, Peter Dietrich

Breakdown Kompanien (sichtbar bei Saint-Laurant-sur-Mer im obigen Bild) sind auch verfügbar, was zur hohen Counterdichte beiträgt.

Besonders hervorzuheben ist das Vassal Modul von Peter Dietrich. Es bietet Hilfe bei der enormen Countervielfalt, indem beispielsweise beim Verschieben des Datumsmarkers die eintreffende Verstärkung automatisch aufs Brett geschoben wird. Es sind alle Szenarien mit der jeweiligen Grundaufstellung vorhanden.

Ich habe lediglich ein Szenario, Operation Epsom, auf dem Tisch gespielt. Eine laufende Kampagne spiele ich immer mal wieder mit Vassal. Die eingebaute Kommentarfunktion eignet sich hervorragend, den aktuellen Stand der Dinge und meine Gedanken für die nächsten Schritte festzuhalten.

Die Combat Odds, DRM, Shifts und Sonderfälle sind sehr aufwändig. Ich habe mir dazu ein Excelsheet gebaut, damit nichts vergessen geht.

Besonderheiten

Das Spiel bietet ein paar besondere Mechaniken, welche ich hervorheben möchte.

  • Mandatory Attacks: Im Gegensatz zu den meisten Systemen in meiner Sammlung gelten in BfN besondere Regeln was den Kampf in offenem Gelände angeht. Feinde innerhalb der ZOC müssen angegriffen werden, oder ein Retreat ist Pflicht. Ebenfalls müssen Einheiten, in derer ZOC sich ein Angriffsziel befindet, ebenfalls “beschäftigt” werden. Man kann sich also entlang einer Front nicht einfach ein schwaches Ziel aussuchen. Als Erfüllt gilt bei dieser Regel auch ein Luftangriff oder ein Artillerieschlag. Kombiniert mit den begrenzten Ressourcen führt dies zu verzwickten Situationen: Hier könnte ich eine Schwäche meines Gegners ausnutzen, aber bin ich auch gewillt Luftassets und Artillerie zur Bekämpfung des Flankenschutzes meines Zieles zu investieren? Sowas gefällt mir sehr. Einheiten bleiben länger auf Distanz und rücken nur vor, wenn sie auch bereit sind sich in längere Gefechte zu verstricken.
  • Interdiction: Ein cleveres aber simples System regelt die Lufthoheit über den verschiedenen Zonen (Maps), in dem es die Spieler Air Assets und Anti Air Assets gegeneinandern “investieren” lässt. Ein Ungleichgewicht kann zu Interdiction Levels führen. Jedes Level bedeutet einen Mehraufwand an MP im jeweiligen Sektor. Auch hier gilt es bspw. für den Axis Spieler abzuwägen: Schütze ich meine anrückende Verstärkung damit diese schneller zu den Stränden kommt, und wenn wo, und wenn nicht stärke ich meine AA in den Landesektoren? Spannender Ansatz, simpel gelöst mit verdeckem Ausspielen. Für Solo Spiele gibt es einen Lösungsvorschlag gratis und franko im Regelwerk.
  • Airdrops: Kein D-Day ohne Luftlandeeinheiten. 101st, 82nd Airborne der Amerikaner auf der Cotentin-Halbinsel, die britische 6. Airborne an der Orne – das gehört einfach dazu. Hervorragend gelöst ist das Dropverfahren mit Wettereinfluss, Drift und spannenden Resultaten bei der Landung. Je nach Distanz zum Feind und Terrain wird gleich gekämpft, oder auch mal gleich kapituliert. Jeder Drop wird so zum Krimi, das macht schon gehörig Spass. Selbst die Pathfinders sind modelliert!

The Battle for Normandy ist definitiv einer meiner absoluten Lieblingstitel. Die Detailverliebtheit, die wunderschöne Map, hier stimmt einfach alles. Dan Holte hat Spielern wie mir bei der Erstellung dieses Monsters einen riesigen Dienst erwiesen. BfN ist eines dieser Spiele die es heute eigentlich gar nicht mehr geben sollte: Ein Wahnsinnsaufwand, hoher Preis, kleines Zielpublikum und (physisch) praktisch unspielbar. Ich bin froh, eine Kopie ergattert zu haben!


Author: Reto Eggimann