Grundsätzlich spiele ich alleine. Gründe gibts dafür genug. Bisher habe ich auch keine geeignete Community von Consim Wargamern gefunden, welcher ich angehören möchte. Es gibt viele Ansätze und Versüche, halbleere Foren und Leichen derselben, auch im deutschsprachigen Raum, aber keine wirklich funktionierenden Plattformen. Es gibt die eine oder andere Discord Community (Hex, GMT, Consimworld) in welcher man im obligaten “Opponents Wanted” Bereich seine Wünsche hinterlassen kann, aber das meine ich nicht mit “Community”. Nur ungern binde ich mich an einen Fremden, den ich auf diese Weise quasi anheure um spielerisch auf mich einzuprügeln. Lieber wäre mir etwas Persönlicheres, was schwer zu haben ist. So geht das vielen. Ich fröhne einem Nischenhobby und das ist OK so.
Operational Wargames eignen sich kaum für den Spielabend mit Freunden
Das getraute Zusammensitzen am Spieltisch – Corona hin oder Vassal her – ist auch nicht ganz so einfach. Selbst eher handliche Wargames verbinden lange individuelle Spielzüge mit einer grosse Anzahl davon. Wer mal dran ist bleibt lange dran. Natürlich gibt es Spielsysteme und Hausregeln, welche dem Entgegenwirken. Es kann auch durchaus sein, dass das Beobachten des Gegenübers einen gewissen Unterhaltungswert hat. Bei einer Partie “Siedler” kommt aber im Gegensatz dazu schnell mal ein gewisser Flow auf, der schwer zu replizieren ist. Man bleibt im Gespräch mit seinen Mitspielern und niemand muss lange mit der Umsetzung der eigenen Strategie warten. Das ist bei Case Blue anders.
Gottlob gibt es Abhilfe: Solo oder Play by E-Mail (PBEM).
Solo ist kein Problem
“Was du spielst beide Seiten? Geits no?” habe ich schon oft gehört. Klar geht das. Das allermeiste in meinem Regal kann ich prima alleine spielen. Oft ist ein Kaufkriterium, wie geeignet ein Spiel für Solopartien ist. Hier kommt einem auch der obengenannte “Nachteil” des Operational Wargaming entgegen: Lange Züge. Ich kann mich ein paar Stunden auf die eine Seite konzentrieren, deren Probleme wälzen und an der Umsetzung der gewählten Strategie arbeiten. Bin ich mit dem Zug fertig ist es nicht schwer, den Kontext zu wechseln. Alle fünf Minuten möchte ich das natürlich nicht.
Nichts geht über einen menschlichen Gegner
Solo ist OK. Bots sind OK. KI auf dem Computer ist OK. Ein Mensch ist unübertroffen. Nur ein Gegenspieler aus Fleisch und Blut kann dich hart aber fair herausfordern und gegebenenfalls auch schlagen, ohne den ewigen Grat zwischen Unfähigkeit und Beschiss zu wandern. Und nur mit einem Menschen kannst du während und nach der Partie fachsimpeln.
Letzthin habe ich meine erste PBEM Partie Holland 44 mit einem neuen Mitspieler aus der Region Basel ausgetragen. Ich habe den Entscheid nicht bereut. Gefunden habe ich meinen neuen Gegenspieler über diese Website – respektive mein neuer Gegenspieler hat mich gefunden.
Wir haben als Versuchsgelände Holland 44 gewählt. Die “Simonitch 40s” Reihe ist beiden geläufig, der Titel ist überschaubar komplex, gross und lang. Angefangen haben wir im Oktober des letzten Jahres mit den Alliierten Luftlandeoperationen bei Eindhoven, Nijmegen und Arnhem, welchen ich als Achsenspieler entgegenzuhalten gedachte. Schlussendlich sind wir im März am Ende des Turn Record Tracks angelangt. Zur Überquerung des Rheins hat es den Alliierten nicht gereicht, aber trotzdem nimmt mein Gegenspieler den verdienten Punktesieg mit nach Hause. Mit viel Umsicht und korrekt applizierter Aggression wurden die richtigen Siegregionen von den Alliierten besetzt, während die Gegenangriffe von Wehrmacht, Luftwaffe und SS zu spät erfolgten und zu schwach ausfielen.
Was bleibt?
Zweierlei Dinge bleiben mir von dieser Partie über fast 20 Spielzüge erhalten.
Zum Einen bin ich nun noch mehr von Holland 44 als Spiel überzeugt. Seit meiner ersten Partie habe ich den Titel jedem empfohlen, der sich für das Hobby interessiert. Alles was es darüber zu sagen gibt, kann man hier nachlesen. Auf jeden Fall haben beide Spieler gewichtige Entscheidungen zu treffen. Sie müssen gutes Timing beweisen und auch das nötige Glück mitbringen. So soll eine Konfliktsimulation sein.
Andererseits kann ich den Spielmodus selbst nur loben: PBEM mit Vassal und einer gemächlichen Kadenz ist optimal für meinen Lebensstil, und ich bin dankbar, dass mein Gegenspieler dafür Verständnis aufgebracht hat. Ich habe eine Familie mit kleinen Kindern, viele Interessen und Termine, einen Job und auch eine faule Seite die am Abend gerne die Beine hochlegt und Bourbon trinkt. Niemals könnte ich mich irgendwie zwei mal die Woche fix am Mittwoch und Sonntag zum 1:1 Termin treffen – über dieses Arrangement wären am Ende alle unglücklich. Nein; mit PBEM erhalte ich den Zug meines Gegenspielers bequem per Mail, diesen kann ich in den Tagen danach nach eigenem Tempo bearbeiten und retournieren. Mal gehts schneller, mal langsamer, ganz im Takt der Schwingungen des Alltags.
Alles in Allem war dies eine tolle PBEM-Partie. Zum Glück hat mein neuer Wargaming Buddy das auch so gesehen und wir haben was neues abgemacht: In diesen Tagen startet eine Kampagne Sicily II der Operational Combat Series. Natürlich per E-Mail mit Vassal.